...sobald die Glöckchen zu bimmeln begannen, schubste er ihn auf die Bühne. Die Engelchen folgten ihm scheu. So einen gewaltigen Nikolaus hatten sie noch nie gesehen!
Im Scheinwerferlicht musste Grabsch noch blinzeln. Alle Leute im Saal klatschten begeistert. Was für ein stattlicher Nikolaus!
"Hallo, Nikolaus!", riefen ein paar Kinderstimmen.
"Lieber Nikolaus", rief der Bürgermeister und schob Grabsch zum Rednerpult, "sagen Sie unseren Kindern erst ein paar Worte, bevor Sie zur Bescherung schreiten!"
Grabsch räumte mit einem Tritt das Rednerpultweg weg, das ihm im Weg war, nahm den Sack von der Schulter, stellte ihn vor sich auf den Boden und sagte mit dröhnender Stimme: "Ich komme aus dem Rabenhorster Wald und soll so tun, als ob ich ein alter Großvater wäre, der Nikolaus heißt. Und ich soll euch vorschwindeln, dass ich in diesem Buch da allerlei über euch gelesen hab. Dabei kann ich garnicht lesen, ha ha ! Hier im Sack ist angeblich Backzeug drin, süßes. Mal sehen, ob`s stimmt."
Er ließ das Buch fallen, öffnete den Sack, griff hinein und stopfte sich Hände voll Gebäck in den Mund. Mit vollen Hamsterbacken fuhr er fort: "Das soll ich an euch Knirpse verteilen - lauter Zeug, das in den Ladenregalen liegen geblieben ist. Ich rate euch, ihr Schlümpfe, esst es nicht! Warum ich den Mampf runterwürge? Weil ich Hunger hab! Vor Hunger hab ich in den letzten Tagen schon Heu gefressen!"
Kleine wie Große im Saal waren sprachlos.
"Ich soll euch auch ein bißchen drohen, euch kleinem Gemüse", fuhr Grabsch fort. "Aber das tu ich nicht. Ihr seid ja in Ordnung , ihr Dreikäsehochs. Nur den Großen werd ich jetzt mal meine Meinung geigen. Denn denen droht nämlich niemand mehr. Weil sie schon groß sind."
Und er schwang die Rute und brüllte, dass der Saal zitterte: "He, ihr Großen - an euch sollen sich die Kleinen ein Beispiel nehmen? Schwindelt ihr etwa nicht, wenn`s zu eurem Vorteil ist? Seid ihr etwa nicht schadenfroh? Nicht wild auf`s Geld aus? Das muss euch ausgetrieben werden, ihr großen Juckenauer, ihr Heuchelfritzen! Und das tu ich jetzt - damit ihr auch mal ein bißchen Angst kriegt, ihr aufgeblasenen Ochsenfrösche!"
Mit einem mächtigem Satz spang er von der Bühne in den Saal. Dabei flatterte der rote Mantel hoch, und seine Stiefel wurden sichtbar.
Seine Stiefel? Polizeihauptmann Stolzenrück erkannte sie: Es waren die Polizeihauptmannstiefel, die Grabsch ihm geraubt hatte!
"Alaaaarm", schrie er. "Höchste Alaaaarmstufe! Räuber Grabsch ist im Saal - rette sich, wer kann!"
Jetzt sprang der Bürgermeister hinter das Pult auf der Bühne, fuchtelte mit den Armen und krähte: "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht! Kein Grund zur Beunruhigung - die Stadtverwaltung hat alles im Griff!"
Aber niemand hörte auf ihn, denn schon drosch Grabsch mit der Nikolausrute auf die herausgeputzten Damen und Herren ein, dass es nur so pfiff.
Das gab ein Gequietsche und Geschimpfe! Teure Frisuren lösten sich auf, Hüte rollten, Handtäschen kamen abhanden, Schuhe blieben zurück. Alle drängten dem Ausgang zu, Große wie Kleine, auch die Chöre und die Polizei-Blaskapelle. Nicht einmal Anton Specht wagte Grabsch aufzuhalten, sondern rannte mit den anderen davon. Viele sprangen durch die Fenster in den hohen Schnee, wo sie zum Glück leicht landeten. Ein paar Polizisten versuchten, Grabsch zu überwältigen. Er warf sie allesamt durch die Fenster den anderen nach.
Dann, mittem im Angst- und Wehgeschrei der Großen, hörte er einen kleinen Jungen rufen: "Lieber Räuber Grabsch, der dort ist mein Lehrer!"
Grabsch langte sich den, auf den der Kleine zeigte, und warf ihn den Polizisten hinterher.
Der Saal leerte sich in Windeseile. Bald stand Grabsch allein in dem großen Raum. Auch Max war verschwunden. Auch alle Kinder hatten sich aus dem Staub gemacht. Nur die zwei Engelchen standen noch auf der Bühne und schluchzten.
"Da gibt`s nichts zu flennen, ihr Kullerköpfchen", knurrte Grabsch. "Das war nur eine kleine Weihnachtserfrischung für die Großen. Mal was anderes."
Er ließ die beiden ihre Nachthemden aufhalten und schüttete ihnen Gebäck hinein. "Besucht mich mal im Wald", sagte er. "Da könnt ihr mit Quarka und Lisbeth an der Stange rutschen."
Aber die Engelchen machten, dass sie davonkamen.
das soll keine aufforderung zur gewalt sein. im gegenteil eine leseempfehlung das wirklich liebenswerte wesen des "Räuber Grabsch" kennen zu lernen.
geschrieben von Gudrun Pausewang
mit den besten grüßen von stef.